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Bandonion und Concertina

Das Bandonion

Der Musiklehrer Heinrich Band (1821—1860) aus Krefeld lernte 1840 bei Uhlig in Chemnitz die Konzertina kennen. Er kaufte ein Instrument und benützte es dann im Stadtorchester. Der Tonumfang von 40 Tönen scheint ihm zu gering gewesen zu sein, so dass er größere Modelle selbst baute. Nach seinen eigenen Schulen und Spielanleitungen, die er ab 1846 herausgab, kann man die Entwicklung der Größe des Bandonions erkennen. Die ersten Modelle muss er selbst als "Accordion" bezeichnet haben, da die ersten Unterrichtswerke mit dieser Bezeichnung erschienen sind. So baute Band zuerst die 40tönige Concertina nach, gab ihr aber eine 4eckige Form. Es folgten dann in kurzen Abständen 44-, 56-, 62-, 70-, 86- und 88tönige Accordions. Ab 1850 erst tragen diese Instrumente seinen Namen als "Bandonion". Bis 1859 folgen dann noch 100- und l30tönige Instrumente.

Die Bandonien wurden immer größer gebaut, wobei das von Josef Schramm mit 220 Tönen wohl das mit dem größten Umfang gewesen sein muss.

Es hat sehr viele Bandonionspieler gegeben, was die Vielzahl von gedruckten Musikstücken beweist. Die Modell-Vielfalt war jedoch so groß, dass 1921 der "Fachverband der Konzertina- und Bandonion-Branche" empfahl, ein Einheitsbandonion zu entwickeln. 1925 wurde dann das l44tönige Einheitsbandonion geschaffen. Es war leichter zu spielen, da die Haupttonarten G-, D-, A- und E-Dur beisammen lagen. Neben dem l44tönigen Bandonion war noch das l28tönige im Gebrauch, wofür schließlich die meisten Schulwerke geschrieben worden waren.

Die Instrumentenmacher Julius Zademack (1874—1941) und Fritz Micklitz entwickelten 1911 ein chromatisches Bandonion (siehe Abb. 136). In Berlin gab es dann das "Erste chromatische Bandonionorchester". Ernst Kusserow (Mitglied im Musikausschuß des ehem. "Deutschen Konzertina- und Bandonion-Bundes") entwickelte gemeinsam mit Richard Micklitz, dem Sohn des Vorgenannten, ein chromatisches Bandonion. Es hatte die Form des Einheitsbandonions und war auch äußerlich nicht von diesem zu unterscheiden.

Kusserow schrieb auch eine Schule für sein Instrument, und er empfiehlt dann als anschließende Literatur Burkhard: "Kleine Klavierschule", Frey: "Schule des polyphonen Spiels", J. S. Bach: "Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach". Aus dieser Aufstellung allein ist zu erkennen, dass Kusserow mit seinem Bandonion genau den Weg zum vollwertigen Musikinstrument aufgezeigt hat und gehen wollte, was dem Akkordeon erst Jahrzehnte später mit den Einzeltoninstrumenten gelingen wird.

Ernst Kusserow wird sicherlich an der Meinung vieler "Fachexperten" zwischen 1920 und 1930 gescheitert sein, obwohl seine Instrumente nur mit Noten und üblichem Fingersatz gespielt worden sind. Das Bandonion der traditionellen Prägung wurde nach Noten, Griff- und Fingersatzschrift gespielt. Es genügt hier ein Notenbeispiel zu betrachten, das aufzeigt, wie schwierig es war, danach Bandonion zu spielen.

Man wollte unbedingt die herkömmliche Volksmusik mit ihrer rhythmisch-schlagwerkartigen Begleitung spielen, wobei schon der Begleitakkord allein immer wieder 3 Finger auf 3 verschiedenen Knöpfen benötigte. Die Stellung der Finger änderte sich obendrein von Akkord zu Akkord, wobei die Knöpfe selbst nicht eingesehen werden konnten.

Bereits ab 1930 wird das Akkordeon immer beliebter, was schließlich das Bandonion fast zur Gänze verdrängt. Heute gibt es nur mehr vereinzelte Bandonionspieler, die man fast als Liebhaber bezeichnen kann.

Die Concertina

Wir unterscheiden heute die deutsche und die englische Concertina.

Die deutsche Konzertina ist "wechseltönig" gebaut (jeder Knopf ergibt auf Ziehen oder Drücken unterschiedliche Töne).

Die englische Concertina ist gleichtönig (auf Ziehen und Drücken erklingen die gleichen Töne).

Als Erfinder der Concertina wird Charles Wheatstone angesehen. Er entwickelte 1835 aus seinem "Symphonium" die "englische" Concertina. Heute weiß man, daß er nur diese Art der Concertina erfunden hatte, während die Erfindung der deutschen Konzertina das Werk von Carl Fr. Uhlig aus Chemnitz ist. Dieser lernte bei einer Reise nach Wien das Demiansche Accordion kennen und entwickelte dann die erste Form seiner Konzertina.

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Beide Instrumente haben ihren eigenen Entwicklungsweg und so auch ihren eigenen Platz in der Musik. Während die englische Concertina manchen Komponisten beeinflusste, auch konzertante Werke zu schreiben — Chopin, Shaw schrieben darüber und sogar Hector Berlioz widmete ein Kapitel in seiner Instrumentationslehre der Concertina —, war die deutsche Konzertina eher im volksmusikalischen Bereich beheimatet.

In England gibt es nach wie vor noch Orchester und Gruppen, die regelmäßig das Concertinaspiel pflegen. Es gibt sogar noch einen Internationalen Verband der Concertinaspieler, der auch eine eigene Schrift herausgibt. Die deutsche Konzertina wird zwar noch gebaut, aber nur mehr vereinzelt gespielt.

Historiker und Ethnologen vertreten, bestärkt durch einige wissenschaftliche Erkenntnisse, die Meinung, dass es um 1830 unmöglich gewesen sei, dass die Kenntnisse einer Erfindung oder Entwicklung nur in der Umgebung des Erfinders geblieben wären. So vertritt man zumeist die Ansicht, dass es nur einen Erfinder gegeben habe und die anderen, welche ähnliche Produkte erzeugten oder mit mehr oder weniger Erfolg die Erfindung für sich in Anspruch nehmen, nur die weiter entwickelnden und verbessernden Instrumentenbauer gewesen sein könnten.